Entwicklung der Gesetzgebung zur künstlichen Intelligenz in Europa

Prof. Dr. rer. pol. W. Edelfried Schneider

29.02.2024

 

In den letzten Jahren ist die künstliche Intelligenz (KI) zu einem integralen Bestandteil vieler Anwendungen geworden. Die Technologie bietet enorme Chancen für Wirtschaftswachstum, Innovation und auch Verbesserung der Lebensqualität. Gleichzeitig wirft sie wichtige ethische, rechtliche und soziale Fragen auf. Europa will einen rechtlichen Rahmen schaffen, der die Entwicklung und Anwendung von KI fördert, gleichzeitig aber auch Risiken minimiert und Grundrechte schützt.

Kommission und Parlament haben erkannt, dass ein ausgewogener Ansatz erforderlich ist, um das Potenzial der KI voll auszuschöpfen. Die EU strebt an, einen weltweit führenden Raum für verlässliche KI zu schaffen, der auf Exzellenz und Vertrauen basiert. Bereits im April 2021 veröffentlichte die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung über künstliche Intelligenz, die als KI-Verordnung ( AI Act) bekannt ist und als erstes umfassendes Rechtsinstrument dieser Art gilt. Am 2.2.2024 haben sämtliche EU-Mitgliedstaaten dem AI Act zugestimmt; das Parlament wird im Mai/ Juni beraten, sodass alsbald direkte Rechtskraft eintreten kann.

Der Vorschlag zielt darauf ab, einheitliche Regeln für die Entwicklung, den Vertrieb und den Einsatz von KI-Systemen in der EU zu schaffen. Die Verordnung konzentriert sich auf folgende Hauptaspekte:

1. Risikobasierter Ansatz: KI-Systeme werden je nach Risikopotenzial in verschiedene Kategorien eingeteilt. Unannehmbare Risiken, wie manipulative KI, die das
menschliche Verhalten beeinflussen kann, sollen verboten werden. Hochrisiko-KI-Systeme, wie solche, die
in kritischen Infrastrukturen oder als Sicherheitskomponenten verwendet werden, unterliegen strengen Anforderungen. Geringeres Risiko bedeutet weniger strenge
Vorschriften.
2. Transparenz: KI-Systeme, die mit Menschen interagieren, müssen als solche erkennbar sein, damit Nutzer
wissen, dass sie mit einer Maschine und nicht mit einem
Menschen interagieren.
3. Datenschutz und Grundrechte: Die Verordnung betont
die Notwendigkeit, die Privatsphäre und persönlichen
Daten der Nutzer zu schützen und Diskriminierung durch
KI-Systeme zu verhindern.
4. Aufsicht und Governance: Die Verordnung sieht die Einrichtung nationaler Aufsichtsbehörden und eines europäischen KI-Ausschusses vor, um die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen. Während die Initiative der EU insbesondere von Datenschützern begrüßt wird, gibt es auch Bedenken hinsichtlich der
Umsetzbarkeit und möglicher unbeabsichtigter Konsequenzen der Gesetzgebung. Kritiker befürchten, dass zu strenge
Vorschriften die Innovation hemmen und die Wettbewerbsfähigkeit Europas im globalen Markt beeinträchtigen könnten. Zudem gibt es Diskussionen über die Definition von KI
und die Abgrenzung von Hochrisikoanwendungen.
Die Gesetzgebung zur künstlichen Intelligenz ist ein
dynamischer Prozess. Der AI Act ist derzeit im letzten Stadium des Gesetzgebungsverfahrens, wobei das Europäische
Parlament sicherlich noch Änderungen vornehmen wird. Es
ist entscheidend, dass alle Beteiligten – von Politikern über
Unternehmen bis hin zu Bürgern – in den Dialog eingebunden werden, um eine ausgewogene und zukunftsfähige
KI-Gesetzgebung zu schaffen.
Fazit: Die Gesetzgebung zur künstlichen Intelligenz
in Europa steht an einem kritischen Punkt. Die EU hat die
Chance, weltweit Maßstäbe zu setzen und ein Modell für
eine verantwortungsvolle und menschenzentrierte KI zu entwickeln. Der Erfolg dieses Unterfangens wird davon abhängen, wie gut die Gesetzgebung die Balance zwischen der
Förderung von Innovation und dem Schutz der Bürger findet.