Übergewinnsteuer – Was soll wie besteuert werden? Und wer soll das bezahlen?
Prof. Dr. rer. pol. W. Edelfried Schneider26.09.2022
In den aktuellen Zeiten sich überlagernder Krisen reagiert die Politik nahezu erratisch. Auf der einen Seite wird das Füllhorn der finanziellen und sachlichen Unterstützungen für die Bürger gießkannenartig ausgeschüttet; die FAS spricht von einer „neuen Seuche der Entlasteritis“. Andererseits gerät die Finanzpolitik in arge Nöte: Es ist überhaupt nicht geklärt, wie der Staat die versprochenen Leistungen finanzieren will oder kann!
Während täglich über die bedrohliche Entwicklung der Inflation generell sowie über dramatische Erhöhungen der Gas- und Strompreise im Besonderen berichtet wird, macht auf der anderen Seite das Schlagwort der „Übergewinnsteuer“ die Runde.
Was die Politik darunter versteht, ist absolut unklar; selbst Kanzler und Wirtschaftsminister geraten darüber ins Stottern. Meint man tatsächlich eine zusätzliche Ertragsteuer auf einen – wie auch immer zu definierenden – erhöhten (Teil-)Gewinn als Bemessungsgrundlage oder redet man über eine umlagebasierte Abschöpfung von geldlichen Mitteln, ähnlich einer Verbrauchsabgabe. In Europa haben mittlerweile mehrere Mitgliedsstaaten eine echte Übergewinnsteuer eingeführt; so zum Beispiel Rumänien, Spanien und Ungarn; das Vereinigte Königreich ist ebenso vorgeprescht – man hat ja wie auch die USA und Frankreich Erfahrung mit der „Excess Profit Tax“ im 1. und 2. Weltkrieg mit Steuersätzen zwischen 50 und 80%!
Demgegenüber hat der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen in seiner Stellungnahme vom 25. Juli 2022 dringend von einer Einführung einer zusätzlichen Ertragsteuer auf „Übergewinne“ abgeraten. Die Argumente betreffen ein breites Spektrum ökonomischer, aber auch ordnungs- und strukturpolitischer Überlegungen bis hin zu erwarteten massiven Vertrauensverlusten der Unternehmer und Investoren, was die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend negativ beeinträchtigen könnte. Dem ist vollumfänglich zuzustimmen, zumal nicht nur bestimmte Energielieferanten aus den Situationen wirtschaftlicher Knappheit profitieren. So haben zum Beispiel Pharma-, Handels- oder Logistikunternehmen in Zeiten der Pandemie und in den Wochen des Ukraine-Krieges erhebliche Profitsteigerungen erzielen können. Diese Gewinne unterliegen der regulären Besteuerung – und es war bisher nicht zu vernehmen, dass sich die Öffentliche Hand beispielsweise an den bei Biontech vorauslaufenden Verlusten der jahrelangen Forschung beteiligen wollte.
Wenn man also eine zusätzliche Ertragsteuer ablehnt, so bleibt der Umstand, dass insbesondere die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten die Unternehmen und eine große Anzahl von Bürgern maßlos überfordern. Wenn man nicht den Zusammenbruch ganzer Wirtschaftszweige und soziale Unruhen riskieren will, so muss der Staat gezielt eingreifen, um diese kritische Situation zu überstehen.
Jüngst hat die EU-Präsidentin von der Leyen in ihrer Rede „State of the Union 2022“ den Mitgliedstaaten einen Geldsegen von 140 Milliarden EUR versprochen durch Einführung einer Preisobergrenze für Energie und Abschöpfung jeglicher über diese Preisgrenze hinausgehender Beträge. Dies ist sicherlich keine Steuer im klassischen Sinne, sondern ein Eingriff in die Preisbildung des Marktes, der angeblich hier nur nach dem Merit-Order-Prinzip funktioniert. Demnach bestimmen die höheren Grenzkosten der letzten produzierenden Einheit den Marktpreis. Diese Theorie ist m.E. nur richtig bei makroökonomischer Betrachtung und starrer Nachfrage.
Mit preisregulatorischen Instrumenten erreicht man auf keinen Fall eine höhere Verfügbarkeit von Energie und man setzt – zumindest teilweise – auch den Preis als Nachfrageregulator außer Kraft. Letztlich müssen sich Industrie und Verbraucher darauf einstellen, dass die Energie knapp ist und auf Jahre hinaus bleibt und wir zuvorderst Energie einsparen müssen, ferner darüber hinaus eine Prioritätenabfolge zur Verwendung der knappen Energie brauchen und nicht bloß ein Subventionieren des Status Quo.
Wenn also die Politik unterstützen muss und bis zu einem gewissen Grad auch kann, so vermisst man doch die klare Ansage, dass die Bürger sich auf eine harte Zeit erheblicher Einschränkungen einzurichten haben. Diese Wahrheit muss rüberkommen, ansonsten werden wir die Energiekrise nicht ohne massiven sozialen Unfrieden durchleben – mit politischen Folgen!
Und: Es muss klar werden, dass der Staat seine Ausgaben letztlich nur durch Steuern finanzieren kann. Steuererhöhungen kann man auf vielerlei Wegen erreichen; z.B. Drehen an der Bemessungsgrundlage, Erhöhen der Steuersätze, auch Einführung neuer Steuern – aber dann bitte nach den Prinzipien der Leistungsfähigkeit und Gleichheit. Und bevor man an Steuererhöhungen denkt, sollte man die Ausgaben selektiv senken. Steuerpolitik muss auf der Verwendungsseite anfangen!!!