Globale Mindeststeuer für Unternehmen?

Prof. Dr. rer. pol. W. Edelfried Schneider

07.06.2021

Kürzlich haben die USA mit zwei Vorschlägen für Aufruhr in der ökonomischen Welt gesorgt:

  1. Der Patentschutz für Corona-Impfstoffe soll vorübergehend aufgehoben werden.
  2. Große, global tätige Konzerne sollen eine Mindeststeuer von 21% bezahlen!

Beide Vorschläge haben in den Medien ein überwiegend positives Interesse gefunden, obwohl sie gegen weltweit anerkannte Rechtsgrundsätze und gegen die staatliche Souveränität verstoßen.

Das amerikanische Finanzministerium hat Anfang April einen Kompromiss-Vorschlag für eine weitreichende Reform der globalen Unternehmensbesteuerung vorgelegt. Die Hintergründe für dieses Papier waren schnell gefunden: Die Corona-Krise sowie die Wirtschaft- und Infrastrukturprogramme von Präsident Biden verlangen eine ausreichende Finanzierung. Außerdem müssen zurückliegende Haushaltslöcher der Trump-Regierung geschlossen werden.

Führende europäische Finanzverwaltungen (Frankreich, Deutschland) haben sich der Forderung nach einer Mindeststeuer umgehend angeschlossen; die OECD äußert sich enthusiastisch dahingehend, dass nun der Zeitpunkt zur Verwirklichung langanhaltender Pläne zur Vermeidung eines weltweiten Steuerwettbewerbs gekommen sei.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob hier nicht die Rechnung ohne den Wirt gemacht wird. Die betroffenen Großkonzerne wie Amazon, Apple und Google äußern sich nur zögerlich, obwohl der Amazon-Chef Bezos sich positiv vernehmen ließ. Kritischer sind die Stimmen aus den Wirtschaftsinstituten, die auf die große Anzahl auch europäischer Niedrigsteuerländer hinweisen und zurecht davon ausgehen, dass auch diese Länder (genannt seien nur Irland, Niederlande und andere osteuropäische Staaten) ihre Position verteidigen werden. Ebenfalls ist auf europäischer Ebene bisher jegliche weitergehende Harmonisierung der Unternehmenssteuer gescheitert, nicht zuletzt an dem Einstimmigkeitsprinzip laut EU-Vertrag.

Spannend wird auch sein, wie sich China und andere asiatische Länder verhalten, die ebenfalls exportstarke Konzerne beheimaten.

Das Konstrukt der Mindesteuer zielt darauf ab, dass die Unternehmen ihre Gewinne nicht nur im Land der Herstellung der Produkte versteuern, sondern auch in den Absatzgebieten. Ein globaler Mindeststeuersatz allein wird eine solche Besteuerung nicht herbeiführen, vielmehr sind dafür weitergehende Verteilungsmechanismen aus der Wertschöpfungskette erforderlich. Die Kritik geht zurecht dahin, dass der Steuersatz alleine unbedeutend ist, wenn die Bemessungsgrundlage nicht definiert ist. Hieran ist schon das Projekt der europäischen, einheitlichen Konzernbesteuerung immer wieder gescheitert.

Die USA und auch Großbritannien haben unabhängig vom Projekt der globalen Mindeststeuer zuletzt Steuererhöhungen angekündigt. Der amerikanische Satz soll beispielsweise von 21 auf 28% steigen. Hintergrund dieser Maßnahme ist – wie eingangs gesagt – die Corona-Krise. Die jetzige Ankündigung höherer Unternehmenssteuern in Großbritannien ist die erste seit 47 Jahren; also muss die Not groß sein.

Es ist interessant festzuhalten, dass der durchschnittliche Steuersatz auf Unternehmensgewinne im Jahre 1988 bei 40% lag und durch den internationalen Wettbewerb auf unter 24% gesunken ist. Ein diesbezügliches Paradies ist selbstverständlich Irland mit 12,5% Steuersatz auf produktive Gewinne.

Für Deutschland ist davon auszugehen, dass wir nicht nur der Gewinner einer solchen Maßnahme sind, auch wenn der Finanzminister dies so sehen mag. Auch Deutschland beheimatet globale Konzerne; zu verweisen ist beispielsweise auf SAP und die gesamte Automobilindustrie. Schon Trump hatte gesagt, dass es hinsichtlich der Besteuerung in Herstellungs- und Absatzgebieten keinen Unterschied gibt zwischen Technologiekonzernen und den traditionellen Produktionsunternehmen.

Die amerikanische Finanzverwaltung scheint entschlossen, das Projekt der Mindeststeuer ggf. auch gegen heftigen Widerstand oder gar auf Basis nationaler Vorschriften umzusetzen, dies mit der sogenannten Ausgleichssteuer. Wenn also zum Beispiel ein amerikanisches Unternehmen in Irland nur 12,5% Steuer zahlen würde, so würde die Differenz von 8,5 % in Amerika auf nationaler Ebene nacherhoben. Ein sicher einträgliches Schema für den amerikanischen Fiskus!

Völlig ungeklärt ist die Frage der Konkurrenz nationaler Gesetzgebung und nationaler Steuersätze zu dem Konstrukt der internationalen Mindeststeuer. Es kann meines Erachtens auf Dauer keinen Unterschied in der betragsmäßigen Besteuerung geben. Dies wäre letztlich diskriminierend für die nationalen und regionalen Wirtschaftsprozesse.

Nur vereinzelt werden Stimmen laut, die eine supranationale Mindeststeuer für einen Irrweg halten[1]. Das Argument, dass der anhaltende Steuerwettbewerb in globaler Sicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum geführt hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Auch ist unmittelbar einsichtig, dass nationale Regierungen bei supranational gesichertem Steueraufkommen zu weniger Ausgabendisziplin neigen.

Fakt ist – und darauf sollte man sich einstellen -, dass nicht die Unternehmen als solche die höheren Steuern zahlen würden. Zum allergrößten Teil werden diese nach der betriebswirtschaftlichen Theorie als Kosten angesehenen Belastungen auf die Kunden und Verbraucher abgewälzt. Und schon gar nicht wird eine höhere Unternehmens-Mindeststeuer den Verteilungskampf zwischen niedrigen, mittleren und höheren Einkommen lösen können! Diesbezügliche Jubelrufe haben offensichtlich das System unserer Staatsfinanzierung durch Steuern nicht verstanden.

[1]Siehe dazu: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 18.04.2021, S. 18: Wider die Steuertyrannei

Prof. Dr. rer. pol. W. Edelfried Schneider

Diplom-Volkswirt Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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